Ein Portrait der digitalen Generation
Atelierstipendiatin Britta Thie drehte mit Jugendlichen den Film „Powerbanks“
im Minto und schafft eine spannende Wechselbeziehung zwischen Einkaufszentrum und Museum Abteiberg

Eigentlich suchen sich ihre Videos, Fotos, Texte wie von selbst einen Weg zum Publikum und entziehen sich der klassischen Archivierung und Musealisierung. Anders als die meisten Künstler, die ihre Werke über Galerien vertreiben, bedient sie sich der digitalen Medien und wechselt beliebig ihre Bildträger, mal auf YouTube, Instagram oder Facebook. Britta Thie, Jahrgang 1987, Absolventin der Berliner Universität der Künste (UdK), 30. Atelierstipendiatin der Stadt, die im April für sechs Monate die Atelierwohnung in der Steinmetzstraße bezogen hat, beschäftigt sich in ihrer künstlerischen Arbeit mit den Phänomenen der Selbstinszenierung und Selbstmedialisierung. Sie befragt eine auf Selfies und Instagram fixierte digitale Generation auf Identität und Selbstverständnis. Immer wieder inszeniert die Künstlerin auch sich selbst als Akteurin und zeichnet auch in ihrem jüngsten Werk, eine Art Liebesgeschichte, ein dichtes Portrait ihrer Generation, jene Jugend, die ins Analoge geboren wurde und im Digitalen aufgewachsen ist.
In Mönchengladbach wird die Shopping-Mall Minto und der dort ansässige Saturn Techno-Markt, neben dem Museum Abteiberg, Präsentationsort des an diesen Orten gedrehten Kurzfilms „Powerbanks“. Das Projekt ist somit ein Film, eine Museumsausstellung und eine Ausstellung in einem Elektromarkt zugleich. Fragen von Selbstinszenierung, -medialisierung und -fiktionalisierung sind Gegenstand ihrer filmischen Neuproduktion, deren Plot sich um Jugendliche in Mönchengladbach entspinnt, die ihre Freizeit in der nahe am Museum Abteiberg gelegenen Shopping Mall verbringen. Das Museum und die Mall werden sprichwörtlich zum Schauplatz, als Drehort und als Ausstrahlungsort und erzeugen eine spannende Wechselwirkung, die Mall-Besucher und Museumsgänger gleichermaßen anregen wird, den jeweils anderen Ort aufzusuchen. Der neue Film von Britta Thie wird daher parallel im Ausstellungsraum und auf den Screens im Saturn Markt gezeigt. „Powerbanks“ ist ein Pilot, der Beginn für weitere Folgen einer möglichen Serie.
Während die Kunst über unzählige Bildschirme im Techno-Markt Einzug in den Konsum-Alltag hält, wird das Setting der Mall als sozialer Ort der Jugendlichen – mit Sitzinseln, Free Wifi und Steckdosen in das Foyer und den Wechselausstellungsraum des Museums Abteibergs überführt. Für die Dauer der Ausstellung ist der Museumseintritt für das Publikum unter 20 frei.
Indem die Ausstellungsarchitektur die räumliche Struktur des Drehorts aufnimmt, erzeugt sie eine Umgebung im Museum, in der dessen Inhalt und Stimmung materiell und digital widerhallen. Die Mall ist für Thie ein mehrschichtiger Produktions- und Ausstellungsort. Sie stellt ein komplexes soziales Gefüge der städtischen Gemeinschaft, speziell ihrer Jugendlichen, dar. „Die Mall als Ort einer Soap-Opera des Lebens und der Techno-Markt als Mutterschoß digitaler Technik, in dem sich die Menschen aufgehoben fühlen, während im Museum durch die Aufstellung der Sitzinseln sozusagen die Alien-Version zu sehen ist“, beschreibt Britta Thie die Szenenorte.
In Zeiten, in denen der öffentliche Raum zur Debatte steht, ist die Mall ein semi-öffentlicher Raum geworden, „corporate“ gesteuert und kommerziell definiert, dabei Ziel- und Zufluchtsort, der ein Potential für Fiktion eröffnet. Der Ort der Mall – als Raum und Bild – wird durch Umwidmung, Veränderung und Appropriation der Jugendlichen geprägt, die hier ihre Zeit verbringen und zu Hauptdarstellern ihrer eigenen Stories zwischen Frozen Yoghurt-Stand, Forever 21 und großformatigen High-Res Screens werden.
In der neuen Filmproduktion und in ihrer Präsentation werden Kunst- und Nicht-Kunstorte, On- und Offline Spaces miteinander verwoben und ineinander verschränkt. Neben dem neuen filmischen Projekt zeigt die Ausstellung in den Räumen des Museums weitere Arbeiten von Britta Thie.
Realisiert wurde das Projekt „Powerbanks“ mit großzügiger Unterstützung durch die Sparkassen-Kulturstiftung Rheinland und die Stadtsparkasse Mönchengladbach, den Museumsverein Mönchengladbach, die Josef und Hilde Wilberz-Stiftung, die Hans Fries-Stiftung, Senator Film Produktion, Saturn Deutschland, Minto Shoppingcenter, Maier Bros. Filmgeräteverleih, Ludwig Kameraverleih, AUNDE Achter & Ebels und Natsu Food.
Ausstellungseröffnung ist am Samstag, 23. Juni, mit einer Preview von 16 bis 18 Uhr im Saturn Techno-Markt und von 18 bis 20 Uhr im Museum Abteiberg. Am Sonntag, 24. Juni, findet um 12 Uhr, im Museum Abteiberg ein Ausstellungsgespräch mit Britta Thie statt.